Interview: Was bedeutet Fair Trade für die Kakao-Bauern?

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Fairer Handel Einblicke

Im Schweizer Fernsehen lief vor kurzem ein kritischer Dokumentarfilm über Kakao-Bauern in der Republik Côte d’Ivoire. Er zeigt die Armut der Bauern und dass es Fair Trade-zertifizierten Bauern kaum besser geht als nicht-zertifizierten Bauern. Wir haben die wichtigsten Punkte aus dem Film mit Patrick Eboe, dem Geschäftsführer von gebana Togo, und Michael Stamm vom gebana Development Team, der aktuell in Benin wohnt und eng mit gebana Togo zusammenarbeitet, besprochen.

Interview mit Patrick Eboe (links) und Michael Stamm (rechts).

Interview mit Patrick Eboe (links) und Michael Stamm (rechts).

gebana: Kooperativen stehen immer wieder in der Kritik. Und trotzdem sind sie für Fair Trade unumgänglich. Könnt ihr den Zusammenhang erklären?

Michael: Gemäss FLO Fair Trade-Standards müssen Kleinbauern in einer Gruppe oder Kooperative organisiert sein, um zertifiziert werden zu können. Der Grund für diese Vorgabe ist, dass sie so eine grössere Verhandlungsmacht gegenüber Grosskunden haben.

Das hört sich ja erstmal gut an. Was sind aus eurer Sicht die Probleme?

Michael: Kooperativen haben durchaus ihre guten Seiten. Sie unterstützen die Kommunikation mit den Bauern und wenn sie die Fair Trade-Prämie in etwas Sinnvolles für alle Mitglieder investieren, dann ist das gut.

Patrick: Leider ist dies aber nicht immer der Fall. Die Geldflüsse der Kooperativen sind oft nicht transparent. Sei es bei der Verwendung der Fair Trade-Prämie oder bei der Bezahlung der Bauern. Die Kollektoren der Kooperative, die den Kakao bei den Bauern abholen, arbeiten zum Beispiel oft in die eigene Tasche: Sie tricksen beim Abwägen des Kakaos oder sagen dem Bauern, sein Produkt sei minderwertiger Qualität und deswegen erhalte er einen tieferen Preis. Für den Bauern sind diese Tricksereien schwierig zu erkennen. Deswegen ist es uns bei gebana Togo so wichtig, bei den Bauern direkt zu kaufen und sie direkt zu bezahlen. Nur so haben wir die Kontrolle darüber, dass das Geld tatsächlich auch vollständig beim Bauern ankommt. In unserer Hauptanbau-Region Kpalimé bezahlen wir bereits 80% der Bauern direkt, das heisst nicht über die Kooperative. In der Region Badou, wo wir erst seit kurzem arbeiten, sind es 35%. Wir wollen in Zukunft überall 100% erreichen.

Dass ihr direkt beim Bauern statt über die Kooperative einkauft, bedeutet einen Machtverlust für die Kooperative. Wie konntet ihr die Kooperative dahin bewegen?

Patrick: Das war ein harter Kampf! Die Kooperative hörte sogar auf, uns bereits vorfinanzierten Kakao zu liefern. Doch immer mehr Bauern merkten, dass sie profitieren, wenn sie direkt an gebana liefern: Richtig eingestellte Waagen, korrekte Preise. So nahm der Druck auf die Kooperative zu. Schliesslich willigte sie ein, uns direkt von den Bauern kaufen zu lassen.

Ihr habt auch die Verwendung der Fair Trade Prämie angesprochen. Diese sollte doch transparent sein, immerhin wird sie von einer externen Zertifizierungsstelle geprüft?

Patrick: Jaja..., aber die externen Stellen kontrollieren die Rechnungen. Und wie sagt man so schön: «Papier ist geduldig». Und in Togo gilt das eben auch für Rechnungen. Da werden zum Beispiel zu hohe Beträge verrechnet. Das merkt ein externer Kontrolleur nicht, der einmal jährlich aus einem anderen Kontext vorbeikommt.

Sind Kooperativen aus eurer Sicht als Organisationsform denn überhaupt sinnvoll?

Michael: An sich schon – doch während diese in Lateinamerika historisch verwachsen ist, ist sie hier in Westafrika eine «aufgedrückte» Form und überhaupt nicht in der Gesellschaft verankert. Hier herrscht immer noch Clan-Denken vor, demokratische Strukturen haben keine Tradition. Die Kooperativen bitten uns darum auch immer wieder um Hilfe bei der Organisation.

Patrick: Das ist ein Management-Problem: In der Leitung einer Kooperative und jeder anderen Organisation brauchst du die richtigen Leute. Eine Person mit einer Vision, die das Ganze – die Gemeinde, die Region – voranbringen will. Aber den meisten Chefs hier geht es allzu oft nur um Macht und die eigene Familie. Das hat natürlich auch mit Bildung zu tun...

Nächste Woche lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews zu den Themen Armut, Einkommen und Kinderarbeit.

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