Gesucht: Geschäftsführer:in in Westafrika

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Einblicke Unternehmen

Immer wieder suchen wir neue Führungspersonen in Togo und Burkina Faso. Unsere Ansprüche und die Situation vor Ort machen diese Suche zu einer schwierigen Aufgabe.

Im September 2020 hat der langjährige Geschäftsführer von gebana Togo das Unternehmen verlassen. Die Gründe dafür waren vielschichtig. Seither suchen wir nach Ersatz und merken einmal mehr, was für eine anspruchsvolle Aufgabe das in Westafrika ist.

Die Herausforderung liegt unter anderem darin, dass viele Kandidat:innen, die unser Anforderungsprofil erfüllen, das Bild eines Patrons mit eigener Firma im Kopf haben. Bloss Geschäftsführer einer gebana Tochter zu sein, reicht ihnen nicht. Doch das ist nur ein Teil der Geschichte.

Zu wenige junge Menschen beginnen höhere Ausbildung

Ein Blick auf die Ausbildungssituation in Togo zeigt weitere Facetten: Im Jahr 2014 hatten nur etwa 68 Prozent der 15- bis 24-jährigen einen Primarschulabschluss und weniger als ein Viertel von diesen einen Abschluss der Sekundarschule in der Tasche, wie aus dem Education-Inequalities-Bericht der Vereinten Nationen hervorgeht.

Im selben Jahr begannen durchschnittlich etwa 7 Prozent der 18- bis 22-Jährigen in Togo mit einer höheren Ausbildung. Die Abschlussrate der höheren Ausbildungen lag 2014 bei rund 9 Prozent. Je nach Herkunft, Ethnie und gesellschaftlicher Stellung, streuen die Zahlen weit auseinander.

Als wäre das nicht genug: 47 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren sowie 51 Prozent der gut ausgebildeten Menschen in Togo ziehen in Erwägung, das Land zu verlassen, wie aus einer Studie von Afrobarometer aus dem Jahr 2019 hervorgeht. Je die Hälfte beider Gruppen denken intensiv über diesen Schritt nach, etwa 5 Prozent bereiten sich tatsächlich darauf vor, auszuwandern.

Hohe Lohnforderungen stellen uns vor ein Dilemma

Wenn wir es trotz dieser Voraussetzungen schaffen, Menschen mit dem richtigen Profil zu finden, präsentiert sich uns das nächste Problem: Sie verlangen sehr hohe Gehälter – und das zu Recht. Sie verstehen die lokale Wirtschaft, sind gut ausgebildet, vernetzt und haben das Potenzial, sich selbständig zu machen. Solche Menschen sind wichtig für die Wirtschaft in Westafrika. Das wissen auch andere internationale Firmen in der Region.

Wir haben also kaum Handlungsspielraum und müssen die hohen Gehälter zahlen. Für diese Menschen gibt es sonst keinen Grund, den Job zu machen. Das stellt uns aber vor das Dilemma, dass die höchsten Gehälter fast 100-mal über den tiefsten Löhnen in der Produktion liegen. Zum Vergleich: Bei gebana in der Schweiz sind die Löhne der Geschäftsleitung maximal dreimal so hoch wie die tiefsten im Unternehmen - ausgenommen Löhne von Praktikant:innen.

Immerhin für den Wunsch nach einer eigenen Firma haben wir eine Lösung gefunden: Wir beteiligen das Management direkt am lokalen Unternehmen. Auf diese Weise haben wir ein gemeinsames Interesse, die Firma erfolgreich zu führen. Allerdings können so auch Interessenskonflikte entstehen hinsichtlich unserer Werte, den Mitarbeitenden und Bauernfamilien.

Die Menschen in Westafrika haben eine andere Mentalität als wir in Europa

Die vermutlich grösste Hürde bildet die gänzlich andere Mentalität der Menschen in Westafrika. Das fängt bei der simplen Frage an, was privat ist und was zum Unternehmen gehört. Diese Trennung ist schon bei uns nicht immer eindeutig. Schliesslich nutzt vermutlich jeder mal den Firmenlaptop privat oder druckt vielleicht im Büro etwas für sich selbst aus.

In Westafrika sind die Grenzen oft noch fliessender. "Es ist sehr leicht, in die Versuchung zu geraten, ein externes 'Angebot' anzunehmen und so persönlich zu profitieren", sagt Michael Stamm vom gebana Development Team. Der Westschweizer führt gebana Togo derzeit ad interim. Bei mangelnder Kontrolle durch das Management könne es aufgrund der extremen Armut vorkommen, dass Personen mit Macht in der Organisation ihre Position ausnutzen, um Vorteile für sich selbst oder ihre Familie zu erlangen. "Solange es der Firma offensichtlich gut geht und alles weiterläuft, fasst das niemand als Betrug auf", sagt Michael.

In Westafrika ist es auch üblich, dass der Geschäftsführer möglichst vielen seiner Verwandten Jobs gibt. Denn wer Macht hat, kümmert sich um die Familie und stellt sicher, dass alle versorgt sind. Bei einem Familienunternehmen in Europa wäre das nicht anders. Doch gebana Togo oder gebana Burkina Faso sind nun mal keine Familienunternehmen.

Die Beziehung zum Chef bedeutet mehr als die Arbeit

Selbst wenn am Ende nicht die halbe Familie in der Firma arbeitet, ist das Verhältnis zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzen oft wichtiger als alles andere. Die Menschen suchen ihre Sicherheit in der guten Beziehung zum Chef und nicht in ihrer Arbeit.

Klare Prozesse und Strukturen könnten Abhilfe schaffen und die Mitarbeitenden selbstständiger und professioneller machen. Sie wären weniger abhängig von ihren Vorgesetzten und die Werte und Ziele des Unternehmens würden an erste Stelle rücken.

Die Realität sehe aber anders aus, sagt Michael Stamm. "Wann immer ich versuche, einen Prozess zu etablieren oder eine Struktur zu schaffen, werden die Leute misstrauisch. Sie denken, dass ich ihnen nicht traue, dass ich sie kontrollieren will."

Zu dieser Realität gehört auch, dass Togo und Burkina Faso sogenannte Vielvölkerstaaten sind. Es gibt also viele verschiedene Ethnien und die trauen sich mitunter nicht über den Weg. Gehört der Geschäftsführer zu einer anderen Ethnie als seine Mitarbeitenden, kann das zu Spannungen führen.

Lokales Management ist wichtig

Wäre es also besser, jemanden aus Europa an die Spitze zu stellen? Vielleicht das ganze Management? Nicht wirklich. Schliesslich wollen wir lokale Firmen aufbauen und dazu gehören Fachkräfte und Führungspersonal aus der Region. Die Spannungen, die das mit sich bringt, halten wir aus.

Trotzdem kann es helfen, das Management mit Menschen aus dem Westen zu ergänzen und so Vertrauen in beide Richtungen aufzubauen, zu zeigen, dass wir wirklich gemeinsam arbeiten. "Am besten wäre es, wenn wir Europäer:innen im mittleren Management platzieren und einen lokalen CEO einsetzen", sagt Michael. "So würden wir signalisieren, dass es uns egal ist, wer Chef ist."

Michael Stamm wird noch bis Ende 2021 in seinem temporären Amt als Geschäftsführer bleiben und es Anfang 2022 hoffentlich an einen Menschen aus der Region übergeben können.


Verwendete Quellen

In search of opportunity: Young and educated Africans most likely to consider moving abroad
https://afrobarometer.org/sites/default/files/publications/Dispatches/ab_r7_dispatchno288_looking_for_opportunity_africans_views_on_emigration1.pdf (abgerufen am 21.07.2021)

UNESCO Institute of Statistics TOGO
http://uis.unesco.org/en/country/tg?theme=education-and-literacy (abgerufen am 21.07.2021)

United Nations Education Inequalities Report
https://www.education-inequalities.org/countries/togo#?dimension=all&group=all&year=latest (abgerufen am 21.07.2021)

gebana Jahresbericht 2020
https://www.gebana.com/media/medialibrary/2021/06/gebana_Jahresbericht_2020_web.pdf

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